Zwanghaftes Wimpern-Zupfen und Haare-Ausreißen: Trichotillomanie ist eine Krankheit
Definition: Was ist Trichotillomanie?
Die Trichotillomanie, kurz TTM, ist eine komplexe und medizinisch anerkannte Krankheit. Es handelt sich nicht um eine dermatologische Erkrankung, sondern um eine psychische Zwangsstörung. Das Wort setzt sich aus den folgenden Begriffen zusammen, die das primäre Verhalten der Betroffenen beschreiben:
» Mehr Informationen-
- trich, trichos, thrix = Haar
- tillein = rupfen, zupfen
- mania = Wahn, Sucht
Mit TTM ist also ein „zwanghaftes Haareausreißen“ gemeint, eine Zwangserkrankung. Die stark unterschätzte psychische Störung besteht darin, dass Betroffene einen inneren Zwang oder Drang verspüren, sich die Haare auszureißen. Hierbei kann es sich um Augenbrauen, Wimpern, Haare auf dem Kopf oder an sonstigen Körperstellen, z. B. im Intimbereich, handeln.
Einige erkrankte Personen versuchen sich gegen den Drang zu wehren, weil sie ihn selbst als sinnlos und störend empfinden oder von Dritten darauf aufmerksam gemacht werden. Die Störung ist jedoch nicht einfach abzustellen, die Betroffenen beugen sich dem Drang und empfinden ihn mit der Zeit zunehmend als Belastung. Die meisten Betroffenen, etwa 75%, sind sich ihrer Handlungen aber gar nicht bewusst und quälen sich nicht mit dem Gedanken, mit der Sucht aufzuhören.
In den meisten Fällen beginnt die Trichotillomanie schon bei Kindern in der frühen Pubertät, im Alter von 12 bis 13 Jahren. Die Erkrankung kann aber auch deutlich später im Erwachsenenalter zum ersten Mal auftreten. Dann sind mehr Frauen als Männer betroffen.
Ursachen der Krankheit
Eine klare und einzige Ursache scheint es für TTM nicht zu geben. Vielmehr wird vermutet, dass verschiedene Auslöser zu unterschiedlich starken Formen der Trichotillomanie führen können. Die ersten Handlungen scheinen mit Stressabbau und der Verarbeitung von traumatischen Erlebnissen zu beginnen, beispielsweise nach einem Todesfall in der Familie, nach Scheidung der Eltern, nach Misshandlung oder nach einem Unfall, der ernsthafte Ängste ausgelöst hat. Auch Veränderungen des eigenen Körpers, die zu vermindertem Selbstwertgefühl führen, was gerade in der Pubertät häufig vorkommt, scheinen eine große Rolle zu spielen.
» Mehr InformationenSymptome und Formen der Trichotillomanie
Langeweile, Depression oder Passivität, beispielsweise beim Fernsehen, Musik-Hören oder Auto-Fahren, gehören zu den häufigsten Gelegenheiten, bei denen Betroffene mit dem Spielen und Herausreißen der Haare beginnen. Das Verhalten kann sich dann stundenlang hinziehen.
» Mehr InformationenKahle Stellen und dünneres Haar können zusätzlichen Leidensdruck auslösen. Wird das Ausreißen der Haare für längere Zeit unterbunden, dann wachsen die Haare meistens auch wieder nach. Selbst mehrfach entfernte Wimpern können wieder nachwachsen (Quelle: www.wimpernverlaengerung.org). Häufiges Zupfen, sowohl an Wimpern als auch an Augenbrauen kann aber auch dazu führen, dass die Haarpapille vernarbt. Dann wachsen die Haare nicht mehr nach (Quelle: www.test.de).
Viele Betroffene leiden jedoch nicht und empfinden das Herausreißen als angenehm entspannend, sie genießen es als Ritual. Schmerzen werden dabei nicht empfunden.
Tricho- und Dermatillomanie
In einigen Fällen tritt die Trichotillomanie zusammen mit der Dermatillomanie auf, bei der Betroffene ihre Haut verletzen, etwa durch Kratzen oder Reiben.
» Mehr InformationenTrichophagie
Eine weitere Form der Krankheit besteht, darin, dass ausgerissene Haare an Lippen und Zungen vorbeigeführt werden, manchmal wird minutenlang in der Mundgegend mit ihnen gespielt. Häufig wird das Haar aber nicht gegessen, sondern nur als eine Art Zahnseide benutzt. Schließlich gibt es aber auch Betroffene, die das Haar essen. Dann spricht man von der Trichophagie, die gefährlich werden kann. Wenn größere Mengen an Haaren in den Darm gelangen, können sie nicht einfach ausgeschieden werden. Ein Haarknäuel (Trichobezoar) kann zum Darmverschluss führen.
» Mehr InformationenBehandlung der Trichotillomanie: Was kann ich tun? Wie aufhören? Gibt es Medikamente?
Eine sinnvolle Therapie der Erkrankung muss individuell abgewogen werden. Hierbei müssen auch die Lebensumstände berücksichtigt werden. Sind Erkrankte starkem Stress ausgesetzt oder leiden sie unter Depressionen, kann mit entsprechenden Medikamenten geholfen werden, das Stressniveau zu mildern oder depressive Launen vorzubeugen. Eine junge und medikamentöse Therapie besteht in der Gabe von Acetylcystein, das die Impulskontrolle verbessern soll. Insgesamt sind die Wirkungen von Medikamenten gegen Trichotillomanie wenig erforscht. Daher werden Medikamente nicht immer und nicht von jedem Arzt verordnet.
» Mehr InformationenAls hilfreich können sich Entspannungsübungen, wie etwa Autogenes Training oder Meditation, erweisen. Es gibt auch einige positive Erfahrungsberichte über Hypnose gegen Trichotillomanie. Durch die Hypnose soll das Verhalten der Betroffenen gezielt gesteuert bzw. abgestellt werden. Dieser Ansatz ist sicherlich umstritten und nicht für jeden geeignet, da man sich auf eine Hypnose einlassen muss, damit sie überhaupt funktioniert – wenn sie denn funktioniert.
Die bewusste Auseinandersetzung mit der Krankheit ist Grundvoraussetzung für eine Heilung. Auch ist professionelle Hilfe, beispielsweise durch einen spezialisierten Psychologen ratsam. Der Weg zur endgültigen Heilung kann allerdings lang und mühsam sein und Rückfälle sind nicht selten. Lesen Sie hier den Erfahrungsbericht einer Betroffenen.
Aus dem verlinkten Erfahrungsbericht geht wie bereits beschrieben hervor, dass alles zunächst harmlos und schleichend beginnt. Daher unser Rat:
Nehmen Sie zwanghaftes Herausreißen von Haaren ernst!
Auch Schönheitswahn und das Streben nach dem perfekten Aussehen kann sich schnell zu einem zwanghaften Problem entwickeln. Solange Styling- und Selbstoptimierungsmaßnahmen, kontrolliert und geplant werden, sollte sich alles in einem normalen Bereich bewegen. Sobald aber das Zupfen und Entfernen der Haare nicht mehr der eigenen bewussten Kontrolle unterliegt und wir unser Aussehen nicht mehr gezielt gestalten, ist unbedingt Hilfe nötig.
Falls Sie bei sich selbst, bei einer Freundin oder einem Freund einen unterbewussten Drang zum Haare-Ausreißen bemerken, gehen sie der Sache nach. Die Erkrankung Trichotillomanie beginnt nämlich immer zunächst harmlos. Viele Betroffene wissen nicht einmal, dass sie einem zwanghaften Verhalten unterworfen sind. Oder sie verdrängen das Problem bis sie eines Tages darauf angesprochen werden, warum sie keine Wimpern oder keine Augenbrauen mehr haben. Plötzlich merken Betroffene, dass ihr Äußeres Erscheinungsbild eigentlich nicht mehr dem ursprünglichen, natürlichen Zustand entspricht. Das wiederum kann zu Schamgefühl, Depressionen, sozialer Isolation und weiteren Problemen führen. Mit zunehmendem psychischen Druck wird das Abstellen des Haare-Zupfens immer schwieriger. Ein Teufelskreis.